Scherben
Schauspiel von Arthur Miller

Scherben

"Broken Glass"

1938, Brooklyn, New York. Phillip Gellburg, der Leiter der Hypothekenabteilung einer Bank, erkundigt sich bei Dr. Hyman, dem behandelnden Arzt seiner Frau, nach einem erwarteten Spezialistengutachten zu deren plötzlicher Beinlähmung: keinerlei organischer Befund. Der Arzt schließt auf eine psychische Disposition. Doch was ist die Ursache? Beunruhigende Nachrichten aus Deutschland kommen als auslösende Faktoren in Betracht - das Stück spielt im Milieu amerikanischer Juden. Parallel dazu verstärken die Einblicke in das Familienleben der Gellburgs den Eindruck tief liegender Spannungen und alter Verletzungen zwischen den Eheleuten.

Während sich zwischen Sylvia Gellburg und dem Arzt Anziehungskräfte entwickeln, beginnen die angestauten Konflikte in der Familie Gellburg offen hervorzubrechen. Philipp macht, zunehmend verstört, einen fatalen beruflichen Fehler. Schließlich wird mehr in Scherben gehen müssen als die Schaufensterscheiben in Berlin, bevor der Boden bereitet ist für einen grundlegenden Neuanfang, doch nun ist bereits das Leben Gellburgs in Gefahr...

Die psychologisch gestrickten Finten des spannenden Stückes, die Raffinesse, wie Spuren gelegt werden und scheinbar wieder im Sande verlaufen, Beziehungen sich andeuten und dann doch ein ganz unerwartetes Schicksal nehmen, sind ebenso reizvoll wie die unterschwellige soziologische Brisanz des Texts. Der versierte amerikanische Dramatiker Miller ("Tod eines Handlungsreisenden", "Hexenjagd") hat auch dieses neuere Schauspiel wie einen Krimi konstruiert - Indiz wird sorgsam auf Indiz geschichtet - und zeigt darin den schweren Weg, der aus einem eingeigelten "Kotzbrocken" wieder einen Menschen macht, verletzlicher zwar, aber auch nicht mehr tödlich verletzend.

Miller analysiert mit Schärfe und zugleich großer Sympathie für seine Figuren die fatalen Auswirkungen des verzweifelten Versuchs der Anpassung, Verdrängung und Überkompensation aus Angst. Ein Minderheitenproblem, das nicht nur ein erhellendes Schlaglicht auf die spezielle Situation der Juden in den USA kurz vor dem zweiten Weltkrieg wirft, sondern weit darüber hinaus reicht, Verallgemeinerbares liefert, Brutalität auch als ein Symptom von Minderwertigkeitsängsten erfahrbar macht. Es ist kein Problem einer bestimmten Minderheit: "Jeder wird verfolgt. Die Armen von den Reichen, die Reichen von den Armen, die Schwarzen von den Weißen, ... , die Männer von den Frauen, ... , die Katholiken von den Protestanten ... . Und das wirklich Erstaunliche ist, dass man nie einen Menschen trifft, der andere verfolgt." Jeder ist Teil irgendeiner Minderheit, doch mancher wird zum Schwein, um zur Mehrheit zu zählen.


Fotos:

Besetzung:
Phillip Gellburg:Andreas Vogel
Sylvia Gellburg:Antje Rach, Heike Gürtzig
Dr. Harry Hyman:Kay Gürtzig
Margaret Hyman:Simone Plötz (Voiß)
Stanton Case:Robert Will, Robert Langbein
Harriet, Sylvias Schwester:Betty Babel, Manuela Gutsch
Regie:Andreas Vogel, Kay Gürtzig, Simone Plötz (Voiß)

Premiere:
2. Mai 2002